Ein bisschen wie eine warme Umarmung und aufmunternde Worte nach langen, harten Tagen – so empfinden viele Thru-Hiker die Unterstützung durch Trail Angels. Diese Helferinnen und Helfer sind Teil der Wanderkultur auf Fernwanderwegen wie dem Appalachian Trail (AT), dem Pacific Crest Trail (PCT) oder dem Continental Divide Trail (CDT). Aber wer sind diese Trail Angels genau und gibt es sie auch in Deutschland? Hier erfährst du alles Wichtige über die Menschen, die Wanderabenteuer ein kleines bisschen besonderer und angenehmer machen können.
Top 3 Bullets:
- Trail Angels: Selbstlose, hilfsbereite Menschen die Thru-Hikern ihre Hilfe (Trail Magic) anbieten.
- Community: Es gibt Möglichkeiten, sich zu vernetzen und von Trail Angels unterstützt zu werden
- Trail Angel werden: Du kannst auch in Deutschland Trail Angel werden
Was sind Trail Angels?
„Trail Angels“ bezeichnet eine Gruppe von Menschen, die Wanderer auf Fernwanderwegen unterstützen – ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Dabei kann „Trail Magic“ – also die Hilfe, die sie anbieten – in vielen Formen auftreten: ein kühles Getränk an einem heißen Tag, eine warme Mahlzeit, eine Mitfahrgelegenheit oder ein Dach über dem Kopf. Die ersten Trail Angels tauchten in den 1970er Jahren auf und heute gehören sie zur festen Kultur des Thru-Hiking in Nordamerika. Ihre Unterstützung kann einen emotionalen und bedeutenden Unterschied auf deinem Thru-Hike machen. Festzuhalten ist aber auch: Menschen, die für Thru-Hiker Services erbringen und dafür eine Gegenleistung erwarten, sind streng genommen keine Trail Angels.
Arten von Trail Magic:
Erfrischungen und Essen: Manche Angels lassen Kühlboxen am Trail mit Getränken oder Snacks zurück. Dies ist natürlich ein Highlight nach Stunden in der Sonne.
Übernachtung und Rastplätze: Einige Trail Angels bieten Übernachtungsmöglichkeiten oder sogar Duschen an. Für viele ist dies ein Moment, der Körper und Geist erfrischt.
Transport und Ratschläge: Ob es darum geht, ein paar Kilometer zum nächsten Ort zu überbrücken oder hilfreiche Tipps zur Route zu bekommen – ein Trail Angel ist oft genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
In der Welt der Fernwanderungen bringt Trail Magic ein bisschen Menschlichkeit in die oft raue Natur zurück. Es zeigt, dass Unterstützung überall sein kann, auch in der Wildnis.
Ein überraschendes Element von Trail Magic ist, dass es oft nicht nur die Empfänger:innen, sondern auch die Geber:innen tief berührt. Dieses als „Helper’s High“ in der Psychologie längst bestätigte Phänomen, beschreibt, dass „helfen” nicht nur einen gesundheitsfördernden Effekt hat, sondern auch zufrieden macht*. Trail Angels berichten häufig, dass es ihnen große Freude bereitet, Wandernden zu helfen und Teil der Hiker-Community zu sein. Diese gegenseitige Wertschätzung führt dazu, dass viele Wandernde, nachdem sie selbst einmal Trail Magic erlebt haben, später ebenfalls Trail Angels werden, so wie ‚Scout‘ und ‚Frodo‘.
Ohne Trail Angels, kein Thru-Hike?
Thru-Hiking, also das Langstreckenwandern von Anfang bis Ende eines Trails, ist sowohl eine physische als auch eine mentale Herausforderung. Viele Wandernde stellen bald fest, dass ihre Ressourcen – und ihre Kraft – knapp werden. Hier kommen die Trail Angels gerade recht: Ihre Hilfe gibt erschöpften Thru-Hikern oft Energie, um weiterzugehen. Ein kostenloses Frühstück oder eine erholsame Nacht im Bett kann einen riesigen Unterschied machen.
Einfluss von Trail Magic: Nehmen wir an, du hast 30 Kilometer in der Hitze zurückgelegt und merkst, dass dein Wasservorrat sich dem Ende zuneigt. Genau dann triffst du auf einen Trail Angel, der Wasser bereitgestellt hat. Ein kleiner Akt der Freundlichkeit, aber für den Wandernden ein sehr schöner Moment. Diese Begegnungen geben Wanderern oft neuen Mut und die Gewissheit, dass sie es schaffen können – weil es Menschen gibt, die an sie glauben und sie unterstützen.
ABER
Man man sollte seine Wanderung so planen, dass man ohne diese Hilfe zurechtkommt. Dann kann man Trail Magic als einen schönen Bonus mitnehmen.
Ich halte es ähnlich wie Tyler „Mac“ Fox, der auf seinem Blog Halfwayanywhere.com mehrere Meinungen zu Trail Angels verfasst hat.**
Trail Angels sind für Thru-Hiking nicht notwendig. Wenn man durch Zufall Trail Magic erfährt, dann kann das wunderbar sein. Aber: Wer in der privilegierten Situation ist, ein halbes Jahr nicht zu arbeiten und ein komplettes Land zu durchschreiten, sollte wissen, dass sie oder er sich das selbst eingebrockt hat und selbst mit der Situation klarkommen muss und kein Anrecht auf die FREIWILLIGE HILFE von Fremden hat und sich daher auch nicht einreden sollte, dass er auf diese angewiesen ist.
Grundsätzlich sollten Thru-Hiker ohne Trail Angels zurechtkommen. Meiner Meinung nach stellt gerade die eigene Autonomie einen wichtigen Aspekt des Thru-Hiking dar. Man kann daher nicht festhalten, dass es ohne Trail Angels keine Thru-Hiker mehr gibt. Eher gilt: Ohne Thru-Hiker, Keine Trail Angels
Wie findet man Trail Angels?
Es gibt Möglichkeiten, sich mit Trail Angels zu vernetzen. Auf beliebten Trails wie dem PCT und AT haben sich Online-Gruppen und Foren gebildet, die Kontakte und Tipps für Wandernde anbieten. Plattformen wie Facebook-Gruppen für bestimmte Trails oder spezialisierte Apps ermöglichen es Thru-Hikern, lokale Trail Angels und „Trail Magic Hotspots“ zu finden.
Die Traildays am Pacific Crest Trail (PCT): Bei den Traildays kommen Trail Angels und Wanderer zusammen, um sich auszutauschen und zu vernetzen. Diese Events bieten Trail Angels die Möglichkeit, ihre Geschichten zu erzählen und sich über ihre Erlebnisse mit anderen auszutauschen.
Trail Angel Hotspots: Besonders entlang der Triple Crown Trails (PCT, CDT, AT) gibt es Gebiete, in denen Trail Angels zahlreich vertreten sind – häufig in der Nähe von Städten oder an besonders schwierigen Passagen. Solche Hotspots sind für Wandernde oft ein Zeichen, dass bald eine Pause oder eine besondere Überraschung auf sie wartet. Wer sich also vorab informiert, kann seine Reise besser planen und lernt oft auch die Wege, auf denen diese besonderen Menschen helfen, zu schätzen.
In Deutschland haben wir mit dem Nord Süd Trail (NST) seit ein paar Jahren auch einen echten Thru-Hike inklusive echter Trail Angels. Die Kontaktdaten dieser hilfsbereiten Menschen findest du HIER.
Beispiele: Trail Angels und ihre Geschichten
Die Geschichten der Trail Angels sind so vielfältig wie die Wanderer selbst. Sie stammen oft aus der Gegend oder sind sogar ehemalige Thru-Hiker, die wissen, wie hart der Weg sein kann. Das wahrscheinlich bekannteste Beispiel sind „Scout“ und „Frodo“. Die beiden hießen in über 17 Jahren insgesamt 8.000 Hiker vom PCT bei sich zu Hause willkommen. Ihre Garage und ihr Garten waren jedes Jahr für Hunderte von Wanderern ein Zuhause auf Zeit. Von ihnen habe ich bereits in meinem Artikel „Trail Magic: Die unsichtbare Kraft, die Wanderwege verzaubert“ berichtet.
Weitere inspirierende Trails Angels von denen Carsten Jost auf seinem Blog Fastpacking.de berichtet:
Bob Riess: Ein Freiwilliger, der mit großem Einsatz für die Pacific Crest Trail Association (PCTA) arbeitet. Er bietet im Frühjahr und Sommer an, ankommende Wanderer vom Flughafen abzuholen. Daüber hinaus bietet er ihnen eine Übernachtungsmöglichkeit und fährst sie am nächsten Morgen, noch vor seinem Arbeitstag als Lehrer, zur mexikanischen Grenze. Durch diese Hilfe wird der Start für viele Thruhiker unkomplizierter, da der Weg zum Trailhead oft schwierig zu organisieren ist. In der Saison ist sein Zeitplan daher meist komplett mit freiwilligen Unterstützungsfahrten gefüllt, die von zahlreichen Weitwanderern gern angenommen werden.
Die „Hiker Heaven“ von Donna und Jeff Saufley in Agua Dulce, Kalifornien: Donna und Jeff Saufley betrieben bis 2014 eine der bekanntesten Trail Angel-Unterkünfte entlang des PCT. Sie stellten Wanderern eine Unterkunft, Duschen, Internet und frische Kleidung zur Verfügung. In der sicheren und entspannten Umgebung konnten sich Wanderer von den Strapazen des Trails erholen.
Weitere Beispiele von unglaublich hilfsbereiten Trail Angels und überschwänglicher Trail Magic könnt ihr in dem sehr lesenswerten Bericht von Carsten Jost lesen. ***
Ein weiteres sehr bekanntes Trail-Angel-Paar waren Terrie and Joe Anderson „Casa de Luna“ am PCT: Terrie und Joe, legendären Figuren am PCT, die sich bis 2019 21 Jahre lang für die Wanderer engagierten, bis sie „Casa de Luna“ schlossen, um nach Washington zu ziehen. Die „Casa de Luna“ war für ihre besondere Atmosphäre und Gastfreundschaft bekannt. „Monty“ wie Terrie genannt wurde, bot Wanderern nicht nur eine Unterkunft, sondern auch die Möglichkeit, sich zu entspannen und Gemeinschaft zu erleben.
Bekannte Trail Angels auf dem Appalachian Trail:
Ein anderer bekannter Trail Angel ist „Miss Janet“ auf dem Appalachian Trail, die Wanderer mit Ratschlägen, heißen Duschen und unvergesslichen Geschichten willkommen heißt. Ihre Freude daran, neue Menschen kennenzulernen und ihnen eine Unterstützung zu sein, zieht jedes Jahr unzählige Hiker zu ihr.
Die Unterkunft von Mary im Dorf Duncannon, Pennsylvania, entlang des Appalachian Trails: Mary betreibt eine beliebte Unterkunft für Wanderer und bietet ihnen nicht nur Essen und einen Schlafplatz, sondern erzählt auch gern Geschichten aus ihren Erfahrungen mit den vielen Wanderern, die bei ihr vorbeikommen.
Es sind diese Erlebnisse und Menschen, die Thru-Hiker auch Jahre später nicht vergessen und die sie dazu inspirieren, später selbst zum Angel zu werden.
Herausforderungen und unbeabsichtigte Auswirkungen von Trail Angel-Aktivitäten
Obwohl Trail Angels einen großen Beitrag zur Wanderkultur und zur Unterstützung von Thru-Hikern leisten, können sie, besonders in stark frequentierten Trails wie dem Pacific Crest Trail (PCT), unabsichtlich Probleme verursachen, die sich negativ auf die Umwelt und die Wandererfahrung auswirken.
Ansammlung großer Gruppen und ein „Bottleneck-Effekt“
Besonders auf dem PCT kommt es gelegentlich vor, dass sich bei beliebten Trail Angels große Gruppen von Thru-Hikern versammeln. Oft genießen die Hiker das gesellige Beisammensein und ziehen dann gemeinsam weiter, wenn sie sich kennengelernt haben. Dieses „Bottleneck“ führt jedoch dazu, dass große Gruppen gleichzeitig auf dem Trail unterwegs sind und sich an den nächsten Campsites sammeln. Größere Gruppen beeinträchtigen die Natur erheblich stärker als kleine Wandergruppen, da sie den Boden belasten, Vegetation beschädigen und Tiere stören. Aus diesem Grund gelten auf dem PCT Gruppengrößenlimits (maximal 15 Personen), die helfen sollen, die Natur zu schützen. Solche unerwünschten Menschenansammlungen führten auch zur Schließung von „Hiker Heaven“, einer der bekanntesten Trail Angel-Unterkünfte auf dem PCT.
Störung der Ruhe durch große Trail Magic-Ansammlungen
Wenn Trail Magic an beliebten Punkten des Trails angeboten wird, kann dies Hiker zu größeren Ansammlungen anlocken. Diese Ansammlungen bilden manchmal kleine Partys. Dies kann zu einem Konflikt mit den Erwartungen anderer führen. Einige Hiker begeben sich auf die Wanderung, um sich aus der Hektik des Alltags zurückzuziehen. Sie suchen die Ruhe der Natur. Lautstarke Versammlungen, insbesondere am Abend, stören nicht nur andere Wanderer. Auch die Tierwelt reagiert empfindlich auf solche menschlichen Einflüsse.
Probleme durch das Hinterlassen von Nahrung und Getränken für Wanderer
Manche Trail Angels hinterlassen mit bester Absicht Nahrung und Getränke am Trail, um Hiker zu versorgen. Leider kann das Abstellen von Lebensmitteln in der Natur erhebliche Umweltprobleme verursachen. Wildtiere werden angezogen, wodurch sie sich zunehmend an menschliche Nahrung gewöhnen. Sie lernen, an diesen Stellen gezielt nach Essen zu suchen. Außerdem verteilen Tiere und der Wind den Müll in der Umgebung, wenn die Verpflegung unbeaufsichtigt bleibt oder Reste hinterlassen werden. In der Folge entstehen Abfallprobleme, die das natürliche Ökosystem beeinträchtigen.
Da die Wander- und Trail Angel-Szene in Deutschland sehr viel kleiner ist als in den USA, sind solche Probleme hier bisher weitgehend unbekannt und eher unwahrscheinlich. Dennoch bleibt es wichtig, das Potenzial solcher Entwicklungen zu erkennen und darauf hinzuweisen, um auch in Europa nachhaltige Praktiken im Umgang mit Natur und Wanderern zu fördern.
Wie du selbst ein Trail Angel wirst
Falls dich die Idee begeistert, selbst Trail Magic zu verbreiten, gibt es einige einfache Schritte, wie du zu einem Trail Angel werden kannst – und das geht sogar in Deutschland. Auch hier wächst das Netzwerk von Angels entlang des Fernwanderweges Nord Süd Trail. Unter LINK kannst du dich melden, wenn du in der Nähe des Trail wohnst und Hilfe anbieten möchtest.
Tipps für angehende Trail Angels:
Achtung: Die Natur braucht auch ihre Rückzugsorte, und Trail Magic sollte mit Bedacht ausgeübt werden. Trail Angels sollten darauf achten, dass ihre Aktionen umweltfreundlich und „Leave No Trace“-konform bleiben, um die natürliche Erfahrung nicht zu stören.
Bescheidenheit und Respekt: Die Hilfe soll dezent und nicht aufdringlich sein. Denke daran, dass viele Wandernde die Einsamkeit der Natur suchen.
Denke an „Leave No Trace“: Falls du Lebensmittel bereitstellst, achte darauf, dass du die Natur nicht belastest.
Gib freiwillig und ohne Erwartung: Echte Trail Magic geschieht ohne eine Gegenleistung.
Abschlussgedanken
Die Trails dieser Welt sind nicht nur Orte der Herausforderung und des Abenteuers, sondern auch der Menschlichkeit. Für mich bleiben die wahren Helden die Thru-Hiker selbst. Doch durch die Trail Angels, die immer wieder durch ihre Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft glänzen, werden ihre Erlebnisse oft noch bereichert. Diese stillen Unterstützer zeigen, dass es Menschen gibt, die einfach helfen, weil sie es möchten – und vielleicht auch, weil das sogenannte Helper’s High ein wenig dazugehört. Trail Angel zu sein ist eine schöne Möglichkeit, Teil der Thru-Hike-Community zu sein. Doch wie auch beim Wandern gilt: Leave no trace. Happy Trails!
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Hier erfährst du noch mehr über Trail Magic: Trail Magic: Die unsichtbare Kraft, die Wanderwege verzaubert
*siehe Deutsche Gesellschaft für positive Psychologie: Vom Helper’s High
** Trail Pirates: Trail Angels in Disguise: https://www.halfwayanywhere.com/trails/trail-pirates-trail-angels-in-disguise/
Trail Angels, Nobody Needs You: https://www.halfwayanywhere.com/trails/unpopular-opinion-trail-angels-nobody-needs-you/
** (Un)Popular Opinion: Trail Angels, Stop Asking Hikers for Money: https://www.halfwayanywhere.com/trails/unpopular-opinion-trail-angels-stop-asking-hikers-for-money/
** Thru-Hikers Stop Depending on Trail Angels: https://www.halfwayanywhere.com/trails/pacific-crest-trail/unpopular-opinion-thru-hikers-stop-depending-on-trail-angels/
*** https://www.fastpacking.de/trails/pacific-crest-trail-pct/trailangel-auf-dem-pacific-crest-trail-pct/